Description
Meier, Hanspeter (2014). Niggels Erbschaft Reminiszenzen und heutige Erkenntnisse zur Ausbildung von und zum Umgang mit Equiden. Jubiläum 25 Jahre Interessengemeinschaft für das Maultier (IGM). 35 Seiten.
Der Titel „Niggels Erbschaft“ dieser Präsentation nimmt Bezug auf die Erzählung „Niggels Blueschtfahrt“ von Simon Gfeller, in welcher es sich bei der Titelfigur um ein Maultier (bzw. im Emmental auch als Halbesel bezeichnet) handelt. Gfeller ist einer der grossen Mundartdichter aus dem Emmental und befasste sich als Schulmeister, gleich wie Jeremias Gotthelf, beruflich und in seinem schriftstellerischen Werk in hohem Masse mit der Erziehung.
Offensichtlich bestand damals im Emmental in jenen Zeiten diesbezüglich ein gewisser Bedarf. Nur schon ein paar Sätze aus der Erzählung „Abteltig“, wo es um verfehlte Versuche der Erziehung eines jungen Burschen ging („e Säubueb, em Tüfel ab em Chare gheit“), geben darüber Auskunft: „Balge tuet nüt weh u Prüglen isch grad gscheh“ seit men albe u bi mir het beides nüt bschosse, ehnder no guete Wort. „Abschloh sött me di all Tag drümol u derzwüsche gäng wem e guet derwyl hätt.“
Gfeller stand offensichtlich mit beiden Beinen auf dem Boden, und als Emmentaler war er natürlich auch der Landwirtschaft und ihren Tieren nahe. Im Umgang mit letzteren war er sich des grossen Wertes eines empathischen Umgangs mit ihnen sehr wohl bewusst – so wie wir. Es dürfte darum angezeigt sein sich mit jenen Erzählungen zu befassen, in denen ein Maultier vorkommt.
In der Blueschtfahrt-Erzählung ist die Titelfigur Niggel ein Maultier, das für einen Transport nach Burgdorf und zurück entlehnt wurde. Niggel steht im Mittelpunkt des Geschehens, wobei dessen Schilderung in unterhaltsamer Weise als Mittel zum Zweck dient, Belange der Erziehung und Ausbildung zu veranschaulichen und Mängel zum Ausdruck zu bringen.
Interessanterweise findet man bei Gfeller aber nicht nur bei „Niggels Blueschtfahrt“, sondern auch in weiteren Erzählungen Hinweise auf das Maultier. Überall zeigt er dabei Missstände auf und mit deren Schilderung hat er zweifelsohne versucht, Ver-besserungen zu bewirken. Gfeller ist somit wirklich „einer von uns“, der gleich wie wir den Wunsch hatte, der Natur und dem Wesen der uns anvertrauten Lebewesen gerecht zu werden. Was zu seiner Zeit nötig war und wofür – wie wir es leider selber zu gut wissen – auch heute weiterhin noch grosser Bedarf besteht. Diesem wollen wir Genüge tun, indem wir uns auch mit neuesten Ergebnissen aus der Verhaltens-forschung beim Maultier befassen wollen. Gleich wie Gfeller hatten ja immer schon einzelne Leute die Qualitäten und Vorzüge dieser Hybriden erkannt (z.B. Riley 1867, Guénon 1899), und die auf dieser Einstellung basierenden Forschungen in der heutigen Zeit dürfen wir füglich als deren und Niggels Erbschaft erachten.